Professor Fekete im Interview

Wissenstransfer: „Wir hinken hinterher“

Covid-19, Kriegsangst, Energiepreise: Wie kann die Wissenschaft die Gesellschaft krisenfester machen? Ein Interview mit Prof. Dr. Alexander Fekete von der Technischen Hochschule Köln, der den Impulsvortrag auf dem ersten Forschungs- und Transfertag der Berliner Hochschule für Technik hält.

Deutschland steckt inmitten vieler Krisen. Dabei können die Hochschulen die Menschen mit ihrem Fachwissen ermächtigen, die Herausforderungen besser zu bewältigen. „Forschung und Transfer für eine krisenresiliente Gesellschaft“, lautet entsprechend das Motto des Forschungs- und Transfertags der Berliner Hochschule für Technik (BHT). Einer der Referierenden am 16. November 2022 ist Prof. Dr. Alexander Fekete von der Technischen Hochschule Köln. Er lehrt Risiko- und Krisenmanagement und forscht zu Resilienz und Risikokommunikation.

BHT: Wie können Hochschulen die Gesellschaft unterstützen, besser mit schwierigen Situationen umzugehen?

PROF. DR. ALEXANDER FEKETE: Die Menschen haben gegenwärtig mit einer sogenannten Multikrise zu kämpfen. Sie müssen sich von Krise zu Krise immer wieder schnell neu einstellen. Die Corona-Pandemie hat allerdings dazu beigetragen, die Resilienz zu stärken. Die Menschen mussten lernen, mit der Krise umzugehen. Zur Resilienz, der Fähigkeit, sich immer neu anpassen, gehören auch Widersprüche. Die Maskenpflicht oder die Impfungen erleben die Menschen beispielsweise kontrovers. Wer sich aber nicht aus der Ruhe bringen lässt und ein Für und Wider tolerieren kann, stärkt die Resilienz. Hochschulen können damit sehr gut umgehen. Sie vermitteln Wissen, das sie ständig hinterfragen. Sie schulen die Fähigkeit, sich einen selbstbestimmten Weg angesichts einer Vielfalt an Informationen zu suchen.

Wie müssen Hochschulen mit der Öffentlichkeit kommunizieren, um diese Fähigkeit zu vermitteln?

Sie müssen klar machen, dass es in der Forschung keine endgültigen Aussagen geben kann. Es ist wichtig, dass die Hochschulen der Gesellschaft zumuten und zutrauen, mit widersprüchlichen Informationen umzugehen. Viel zu lang wurde behauptet, dass wissenschaftliche Inhalte vereinfacht werden müssten. Die Menschen haben aber einen anderen Anspruch an Wissenschaft und Hochschulen. Während der Corona-Pandemie waren viele Menschen etwa bemüht, Statistiken zu verstehen. Sie reagierten frustriert, wenn Informationen zu stark vereinfacht oder nicht auffindbar waren. Dies führte zu dem Gefühl, dass etwas verheimlicht werde. Zur Kommunikation gehören also zwei Aufgaben:  Informationen aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm müssen vereinfacht und übersetzt werden. Gleichzeitig gilt es, das Bedürfnis in der Gesellschaft nach komplexen Informationen zu stillen.

Warum gelangen relevante Forschungsergebnisse nicht oder nur langsam in die Gesellschaft?

In vielen Bereichen gibt es große Unsicherheiten. Die Zusammenhänge sind oft komplex, auch für Wissenschaftler*innen selbst. Dies führt dazu, dass sie lieber nicht kommunizieren. Es gibt allerdings auch kognitive und psychologische Faktoren. Ein Beispiel aus der Risikoforschung: Bei Hochwasser zeigt sich, dass die Menschen die erste Warnung nicht ernst nehmen. Sie müssen dieselbe Information mehrmals erhalten, um zu reagieren. Teilweise müssen Betroffene erst ein zweites Hochwasser erleben, damit sie ihr Verhalten ändern. Sprich: Die Menschen reagieren zurückhaltend und wollen sich nicht mit seltenen oder noch nicht eingetretenen Ereignissen beschäftigen. Die Wissenschaft hat den Vorteil, dass sie sich mit Themen beschäftigen darf, die keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Wert besitzen. Der Forschungstransfer funktioniert allerdings langsam. Es gibt kein fertiges Produkt, das sich wie eine Teflonpfanne sofort anwenden lässt.

Wie gut schlägt sich Deutschland im Wissenstransfer?

Um genau zu sein: Wissen lässt sich nicht übergeben, im Gegensatz zu Informationen. In Deutschland hinken wir in vielen Bereichen sehr stark hinterher. Dies liegt nicht an mangelnder Kommunikation der Hochschulen oder fehlendem Interesse. Die Umsetzungsprozesse sind kompliziert. Es gibt große Probleme schon damit, vorhandene Informationen zu verbreiten. So wird beispielsweise nach Hochwasserereignissen immer wieder kritisiert, dass Geoinformationssysteme zur Hochwassergefahr fehlen würden. Allerdings wird seit den 1970er-Jahren zu Geoinformationssystemen geforscht. Es gibt viel Fachwissen. Seit 2012 sind alle Hochwassergefahrenkarten für Flüsse online verfügbar. Ein Blick auf die Abrufzahlen zeigt eine erschreckend geringe Nutzung, auch in Katastrophengebieten.

Das Interview führte Fabian Schweyher.