Wie das autonome Fahren endlich klappt

Das autonome Fahren scheitert bislang an der fehlenden Verkehrssicherheit. Forscher*innen des Projekts CARS der Berliner Hochschule für Technik wollen Fahrzeuge und Verkehrsinfrastruktur daher miteinander vernetzen. Sie sollen sich gegenseitig informieren und warnen.

In der Simulation ist das Auto auf einem Highway unterwegs. Die Kontrollsoftware zeigt an, dass der Sicherheitsabstand verletzt wird.
In der Simulation ist das Auto auf einem Highway unterwegs. Die Kontrollsoftware zeigt an, dass der Sicherheitsabstand verletzt wird. Bild: Carla Team

Lennart Siefke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich VI der Berliner Hochschule für Technik (BHT), drückt mit einem Finger auf die Tastatur. Das Auto, das auf einem Bildschirm in einer Computersimulation zu sehen ist, beschleunigt sogleich. Dann steuert er das Fahrzeug auf die linke Fahrspur. Als es die Fahrbahnmarkierung überfährt, erscheinen auf einem zweiten Monitor viele Textmeldungen. „blink_before_lanechange“, steht dort.

Die Software hat registriert, dass das Auto nicht geblinkt und damit gegen eine Regel verstoßen hat. Siefke erklärt die gleichlautenden Einträge beim Spurwechsel: „Dem Computer fällt es schwer, die Position des Fahrzeugs exakt zu bestimmen und die Fahrspurmarkierung genau wahrzunehmen.“ Dies löse die Meldungen aus, sobald der Fahrzeugmittelpunkt die Markierung überquert.

Rollende Computersysteme

Die Fahrsimulation gehört zum gemeinsamen Forschungsprojekt CARS (Cooperative Autonomy based on Reliable Services) der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der BHT. In dem zweijährigen Projekt, das vom Institut für angewandte Forschung Berlin gefördert wird, beschäftigen sich die Wissenschaftler*innen mit einem revolutionären Konzept, das dem autonomen Fahren zum Durchbruch verhelfen soll. CARS setzt dafür auf die Vernetzung aller Fahrzeuge. Zusätzlich soll ein Kontrollsystem, an dem Lennart Siefke arbeitet, jedes Fahrzeug überwachen.

Das Konzept sieht vor, dass die autonomen Fahrzeuge nicht nur Echtzeit-Daten untereinander austauschen, sondern auch mit in der Straßeninfrastruktur verbauten Kameras und Sensoren. Auf diese Weise sollen die Fahrzeuge einen umfassenden Verkehrsüberblick erhalten. „Vernetzung ist die Voraussetzung, um autonomes Fahren in der Masse mit extrem hohen Sicherheitsanforderungen zu realisieren“, sagt Projektleiter Dr. Volker Sommer, Professor für Angewandte Informatik am Fachbereich VI.

Die großen Autohersteller verfolgen hingegen den Ansatz, dass jedes Fahrzeug für sich selbst autonom fahren können soll. Dafür statten sie die Fahrzeuge mit Kameras und Sensoren aus, oft auch mit Lidar-Scannern, die die Straße per Laserstrahl dreidimensional abtasten. Allerdings arbeiten die Autopiloten bislang nicht zuverlässig. In den USA ist in Presseberichten immer wieder von tödlichen Unfällen zu lesen.

Notfalllösungen

Sommer ist überzeugt, dass dieser Ansatz keine Zukunft hat. Angesichts der hohen Verkehrssicherheit, die über die Vernetzung entstehen könne, sei die Vielzahl an Sensoren und Rechnersystemen in jedem Auto unnötig, die aus Sicherheitsgründen mehrmals verbaut werden. „Die Fahrzeuge werden dermaßen komplex, teuer und fehleranfällig, dass es sich irgendwann nicht mehr lohnt.“

Sollte das CARS-Konzept Realität werden, rechnet Sommer mit einer schrittweisen Umsetzung. So könnten sich die Fahrzeuge zunächst über Staus oder Unfälle gegenseitig informieren. An Gefahrenstellen könnten Kameras angebracht werden, die Informationen aussenden.

Sollte die Autopilot-Software in einer Situation zu dem Schluss kommen, dass zu wenig Daten für eine sichere Fahrt vorliegen, umfährt sie als riskant eingestufte Verkehrsbereiche, reduziert die Geschwindigkeit oder bleibt im schlimmsten Fall stehen. Allerdings: Umso dichter das Kommunikationsnetz wird, desto sicherer wird das autonome Fahren. „Eine Vielzahl von Systemen agiert, als ob es ein einzelnes System wäre. Die hochgradige Vernetzung ist die Zukunft“, sagt der Professor.

Über den Datenaustausch der Verkehrsteilnehmer*innen soll ebenso eine Gefahrenprognose möglich sein. Anhand einer Kombination aus Geometrie und Wahrscheinlichkeitstheorie wird berechnet, wo ein Auto zukünftig fahren wird und wie hoch das Risiko eines Unfalls sein wird. „Das Auto kann vorab reagieren, bevor es zu einer Kollision kommt.“

Für zusätzliche Sicherheit sorgt im CARS-Konzept eine Software, die autonom fahrenden Autos im Straßenverkehr kontrolliert. Promovend Lennart Siefke schreibt dafür „Spezifikationen“ in den Code. Sie definieren korrektes Fahrverhalten, beispielsweise die Rechts-vor-links-Regel einzuhalten oder beim Abbiegen zu blinken. Diese Regeln soll die Software ständig mit dem Fahrverhalten eines Autos abgleichen. Um die Spezifikationen zu testen, nutzt Siefke die Fahrsimulation auf seinem Computer.

Für beide CARS-Wissenschaftler ist vorstellbar, dass die Kontrollsoftware eines Tages in jedem Auto als unabhängiges System verbaut wird. Im Vergleich zur Steuerungssoftware, die sich um das autonome Fahren kümmert, ist sie weniger komplex. Sie soll nur das Fahrgeschehen mit Argusaugen beobachten, falls im Zusammenspiel der vernetzten Fahrzeuge doch einmal etwas schiefläuft.


Forschungsprojekt CARS – Information und Kontakt


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