Aus Schnappschuss wird 3D-Modell

Ohne Zollstock oder Lasergerät: Prof. Dr. Sven-Hendrik Voß entwickelt ein handliches Gerät, das Räume automatisch vermisst, 3D-Modelle sofort erstellt und selbst mit Möbeln zurechtkommt. Möglich machen das KI, Lichtfeldkameras und ein spezieller Chip.

Handwerker mit Maßband
Bei Vermessungsarbeiten kommt es auf exakte Daten an. Bild: Friends Stock/stock.adobe.com

Eine „Vermessung der Welt“ war für die neue Einbauküche von Prof. Dr. Sven-Hendrik Voß, Fachbereich VI, nicht nötig. Ganz ohne Aufwand verlief der Termin für den Firmenangestellten jedoch nicht: Mit einem Laser vermaß er den Raum aus vielen Winkeln und brauchte dafür mindestens eine halbe Stunde, schließlich sollte die Küche später exakt passen. „Manuelle Messungen sind oft aufwendig“, sagt Voß. Was der Handwerker damals nicht wissen konnte: Der Professor forscht selbst an einem Gerät, das solche Arbeit künftig erheblich erleichtern und sogar ohne besondere Fachkenntnisse möglich machen könnte.

In dem Forschungsprojekt mit dem schlichten Titel „Aufmaßtool“ entwickelt Voß ein handliches Assistenzsystem, das Räume nicht nur schnell und präzise vermisst, sondern auch automatisch 3D-Modelle erstellt. Wie bei anderen digitalen Lösungen auch müssen Räume dazu nicht mehr ausgeräumt werden. Mithilfe Künstlicher Intelligenz erkennt die Anwendung Fenster, Türen, Hänge- und Einbauschränke oder Lichtschalter und blendet sie im Modell aus. Damit dies zuverlässig funktioniert, trainiert das Forschungsteam derzeit eine KI-Software mit Datensätzen aus zahlreichen Räumen.

Richtung des Lichts

Den eigentlichen Clou des Projekts sieht der Experte für Digitaltechnik und Rechnerarchitektur in zwei technischen Merkmalen. Erstens ist das Gerät mit fünf Kameramodulen ausgestattet, die auf Lichtfeldkameratechnik basieren. Vor den Bildsensoren sitzen winzige Mikrolinsen, die einfallende Lichtstrahlen so streuen, dass sie aus verschiedenen Winkeln erfasst werden. „Die Sensoren erhalten dadurch die gleichen Informationen aus leicht unterschiedlichen Perspektiven“, erklärt Voß.

Auf diese Weise entsteht eine Aufnahme, die neben der Position des abgebildeten Objekts auch die Richtung des Lichts enthält. Das dreidimensionale Abbild enthält dadurch zusätzlich Tiefeninformationen. Der Fokus lässt sich nachträglich beliebig verändern, sodass sich auch komplexere Räume detailgenau ausmessen lassen. Mit herkömmlichen Verfahren ist dies bislang eine Herausforderung. „Die Lichtfeldkameratechnik macht es möglich, sozusagen mit einem dreidimensionalen Schnappschuss einen gesamten Raum aufzuzeichnen.“

Geschultes Personal unnötig

Das zweite entscheidende Merkmal ist der Einsatz eines sogenannten Field Programmable Gate Arrays (FPGA). Im Unterschied zu Prozessoren werden auf diesem digitale Schaltungen aus konfigurierbaren Logikblöcken realisiert, die rechenintensive Datenverarbeitungen bei geringer Latenz und hoher Energieeffizienz möglich machen. Dem Forschungsteam ist es gelungen, damit die großen Datenmengen der Lichtfeldkameras extrem schnell auszuwerten. Während herkömmliche Systeme für die Erstellung von 3D-Punktwolken mehrere Minuten benötigen, erstellt sie das Aufmaßtool in nur wenigen Sekunden.

Mit dem Gerät, das aus dem Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Unternehmen DVC GmbH hervorgehen wird, sollen Räume per Knopfdruck schnell und präzise vermessen werden können. Geschultes Personal soll dafür nicht mehr nötig sein. Es genügt, das Gerät auf ein Stativ zu stellen. Die Lichtfeldkameras erfassen die Daten, die direkt auf dem FPGA-Chip verarbeitet werden. Herauskommt ein zentimetergenaues 3D-Abbild, selbst wenn der Raum möbliert ist. Möglicherweise wird Prof. Dr. Sven-Hendrik Voß also sein eigenes Gerät beim nächsten Küchenkauf in Aktion erleben können.

 


Forschungsprojekt: Aufmaßtool

  • Leitung: Prof. Dr. Sven-Hendrik Voß, Fachbereich VI
  • Laufzeit: April 2023 bis Dezember 2025
  • Förderung: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 215.000 Euro (BHT-Anteil)
  • Projektpartner: DVC GmbH
  • Weitere Informationen: Projektseite

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