Mehr als 40 Jahre arbeitete Wolfgang Franke als Bauingenieur. Im Gespräch mit unserer Autorin blickt der Alumnus der Ingenieurschule für Bauwesen auf seine Karriere zurück. In deren Fokus standen stets große Bauprojekte, darunter selbst ein Schiffshebewerk.
Interview Christina Przesdzing
Wolfgang Franke schaut mich skeptisch an, während ich auf seiner sonnigen Terrasse in Bremen sitze. Auch seine Frau mustert mich, bevor sie die alles entscheidende Frage stellt: „Was wollen Sie von meinem Mann?“ Ich bin gekommen, um mit dem Absolventen der Ingenieurschule für Bauwesen Berlin, einem Teil der heutigen Berliner Hochschule für Technik (BHT), ein Interview zu führen. Er schloss den Studiengang Tiefbau/Bauingenieurwesen 1962 ab.
Wolfgang Franke macht Fotos, während wir zusammensitzen. „Ich möchte meiner Enkelin zeigen, dass Sie wirklich existieren“, sagt er. „Sie hatte den Verdacht, dass hinter Ihrem Anruf ein Bot steckt, und Ihr Besuch einen betrügerischen Hintergrund hat, dass Sie vielleicht an mein Geld wollen.“ Das erlebe ich oft: Skepsis, warum sich eine Vertreterin einer jüngeren Generation für das Leben der „Alten“ interessiert. Das Misstrauen bleibt, aber der Alumnus beginnt zu erzählen.
Studienzeit unter Volllast
Wolfgang Franke wurde am 10. Januar 1936 geboren, wuchs als Halbwaise mit seiner Mutter in Berlin auf, wo er später eine Maurerlehre absolvierte. „Nach dem Krieg mussten wir alles neu aufbauen“, erzählt er. Franke wollte einen Beruf mit Zukunft erlernen, ein besseres Leben haben, eigene Entscheidungen treffen können und erfolgreich sein. Deswegen entschied er sich für eine berufliche Weiterqualifizierung an der Abendschule der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen Berlin in der Kurfürstenstraße, an der er am 21. Juni 1960 seine Prüfung als Bauingenieur ablegte.
Im Rückblick auf seine Studienzeit sagt er: „Der Unterricht war interessant, aber eigentlich war es uns gleich, ob unsere Professoren besonders gut waren. Die meisten von uns haben Vollzeit gearbeitet. Und nach einem anstrengenden Arbeitstag haben wir noch studiert. Uns sind vor Müdigkeit die Augen zugefallen. Ich war froh, als es vorbei war.“
Berufsleben auf der Walz
Nach dem Studium arbeitete er bei einer kleinen Firma in Berlin, wechselte dann zum Bauunternehmen Züblin nach Duisburg. Sein Wunsch, beruflich nach Nigeria zu gehen, erfüllte sich nicht. Stattdessen übernahm er mit dem Bau des Instituts für Kern- und Verfahrenstechnik der Technischen Hochschule Braunschweig 1965/66 sein erstes großes Bauprojekt. „Weit mehr als 40 Jahre habe ich immer nur an großen Bauvorhaben gearbeitet – erst für Züblin, dann für Bilfinger. Das war mir wichtig“, sagt er. Die Ordner, in denen er sein Berufsleben dokumentiert hat, liegen vor ihm. Er habe immer ein Motto gehabt: „Fehler kein zweites Mal zu machen, und Fehler anderer nicht selbst zu machen.“
Seine Bauprojekte waren vielfältig, darunter Brücken, maritime Bauwerke, große Bankenkomplexe und ein Schiffshebewerk stehen auf der Liste des Bauingenieurs. In den 1990er-Jahren absolvierte der Alumnus eine Weiterbildung im Qualitätsmanagement im Baugewerbe. Bis er mit 68 Jahren in Rente ging, oblag ihm die Kontrolle verschiedenster Bauvorhaben. „Ich bin für Bilfinger zehn Jahre unterwegs gewesen, um Fehler auf Baustellen zu dokumentieren.“ Sein Aufgabengebiet habe ganz Norddeutschland umfasst. Während seines Berufslebens war er fast ständig unterwegs, oftmals tagelang fort von zu Hause. „Das war für meine Familie und mich eine anstrengende Zeit“, sagt er. Aber es habe sehr viel Spaß gemacht, und er habe viel erlebt.
Nach Bremen gelockt
Die heutige Baubranche sieht er kritisch. „Es fehlen Fachkräfte und es passieren zu viele Fehler.“ Früher habe man sich bei ein, zwei Fehlern auf der Baustelle bereits Gedanken gemacht. Heutzutage sei die Dokumentation von hunderten Fehler normal. Außerdem: „Ich kann nicht nachvollziehen, wie man heute der Meinung sein kann, ohne eine handwerkliche Ausbildung ein guter Bauingenieur zu werden. Den meisten fehlt schlicht die handwerkliche und technische Qualifikation.“ Auch die Art und Weise habe sich verändert. „Früher waren wir fokussierter auf unsere Arbeit. Viel näher dran am Projekt. Heute gibt es viel Theorie und Papierkram.“
Wolfgang Franke lebt mit seiner Frau in Bremen. Ein Bauprojekt hatte ihn einst in die Stadt geführt. „Da hat man mich hingelockt“, berichtet er mit einem Augenzwinkern. „Man fragte mich, ob ich die vorletzte Brücke vor New York bauen wolle. Das klang ungemein reizvoll. Gemeint war aber eine Brücke in Bremen kurz vor dem Meer – auf der anderen Seite liegt New York“, sagt er schmunzelnd. In der Hansestadt ist die Familie geblieben. Im Ruhestand genießt er seine Freizeit. Seitdem er aufgehört hat zu arbeiten, hat er 43 Länder bereist und viel Zeit im Ausland verbracht.
Nach unserem Gespräch bringt mich Wolfgang Franke zurück zum Zug. Meine Zeit in Bremen ist um. Die Stimmung ist gelöst, freundlich. Ein herzliches Händeschütteln, eine kurze Umarmung. Von der anfänglichen Skepsis ist nichts geblieben.
STUDIERE heute ZUKUNFT im Bauingenieurwesen an der BHT