Bakterien-Festspiele im Ackerboden

Weltweit bewässern viele Landwirt*innen ihre Felder mit Abwasser, auch im mexikanischen Valle del Mezquital. Forscher*innen der Berliner Hochschule für Technik untersuchen in einem DFG-Projekt, ob dies zur Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen führt. Jedes Jahr sterben rund 1,3 Millionen Menschen an Krankheiten, weil Medikamente nicht mehr wirken.

Bakterien können Genmaterial untereinander übertragen. Prof. Dr. Elisabeth Grohmann (unten links), Fachbereich V, forscht im Valle del Mezquital (rechts) zu Antibiotikaresistenzen.
Bakterien können Genmaterial untereinander übertragen. Prof. Dr. Elisabeth Grohmann (unten links), Fachbereich V, forscht im Valle del Mezquital (rechts) zu Antibiotikaresistenzen.Bild: Kateryna_Kon/stock.adobe.com, Jan Siemens/Universität Gießen, Karsten Flögel

Es klingt wenig appetitlich: Die Ackerflächen im mexikanischen Landstrich Valle del Mezquital wurden jahrzehntelang mit Abwasser geflutet. Von einem Kanalsystem verteilt, strömten einmal im Monat durchschnittlich 150 Liter auf jeden Quadratmeter. Das Wasser überschwemmte ein rund 900 Quadratkilometer großes Gebiet, sodass Valle del Mezquital lange Zeit als eines der größten Rieselfelder der Welt galt. So werden Areale bezeichnet, auf denen Abwasser absichtlich versickert wird. In vielen Regionen der Welt nutzen Bäuerinnen und Bauern Abwasser für die Landwirtschaft. Die Brühe hat den Vorteil, dass sie auf den Feldern wie Dünger wirkt und die Pflanzen sprießen lässt. Gleichzeitig filtert der Boden das Wasser. In der Erde bleiben Schmutz, Arznei- und Desinfektionsmittel, Metalle und Mikroorganismen haften.

Für die Forschung zu Antibiotikaresistenzen ist Valle del Mezquital interessant, weil dort das Wasser seit kurzem geklärt wird. Die Hypothese: Wenn es zur Düngung genutzt wird, setzt es die in den Böden gespeicherten Schadstoffe frei, was zu mehr frei gesetzten Antibiotikaresistenzen führen könnte. Untersucht wird dies von einer Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), an der die Berliner Hochschule für Technik (BHT) beteiligt ist. Die Gruppe hofft, in Mexiko neue Erkenntnisse zu gewinnen. Schließlich gewinnen Antibiotikaresistenzen weltweit an Relevanz. Jedes Jahr sterben laut Weltgesundheitsorganisation rund 1,3 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, weil Medikamente gegen Krankheitserreger nicht mehr wirken. Die Expert*innen gehen davon aus, dass die Todeszahl zukünftig stark zunehmen wird.

Austausch von genetischem Material

Bakterien haben es der Fähigkeit zum Gentransfer zu verdanken, dass antibiotisch wirksame Substanzen wie Penicillin ihnen nichts mehr anhaben können. Wenn Bakterien aufeinandertreffen, können sie genetisches Material austauschen – über DNA-Moleküle, sogenannte Plasmide. „Der Gentransfer findet überall und ständig statt“, sagt Prof. Dr. Elisabeth Grohmann, Fachbereich V, die der DFG-Forschungsgruppe angehört. Als Beispiele nennt sie den menschlichen Darm, feuchte Stellen in der Küche oder auf dem Fußboden. Auf diese Weise können Mikroorganismen, die „immun“ gegen Antibiotika oder Desinfektionsmittel sind, diese Eigenschaft weitergeben.

Als Ursache für die Verbreitung der Resistenzen gilt aber der übermäßige Einsatz von Antibiotika in Medizin und Tierwirtschaft. Über Medikamente und Nahrung nehmen die Menschen die Substanzen auf. „Wir tragen dazu bei, Antibiotikaresistenzen wiederum in der Umwelt zu verbreiten, indem wir sie ausscheiden“, erläutert die Mikrobiologin. Da Kläranlagen nie alle Keime beseitigen könnten, gelangen sie früher oder später wieder in Pflanzen und Tiere. Ungeklärtes Abwasser enthält natürlich wesentlich mehr Mikroorganismen.

Aus wissenschaftlicher Sicht bietet Valle del Mezquital, rund 60 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt gelegen, eine seltene Gelegenheit. Dies hängt mit der weltweit drittgrößten Kläranlage zusammen, die vor zwei Jahren in Betrieb ging . Bis sie in der Zukunft ihre volle Leistungsfähigkeit erreicht, wird das Wasser nur zu einem gewissen Grad gereinigt. In den Feldern der Landwirt*innen trifft es auf einen Boden, der über Jahrzehnte Bakterien gebunden hat.

Drei Experimente

„Bei der Nutzung von teilgereinigtem Wasser in einem Rieselfeld handelt es sich um einen wissenschaftlich nicht untersuchten Spezialfall“, sagt Grohmann. Das teilgeklärte Wasser, das weniger Keime und Antibiotika enthält, würde das Gleichgewicht des Bodens stören, der über Jahrzehnte nur mit Abwasser bewässert wurde. In der Erde setze dies Bakterien und Schadstoffe frei, die bislang gebunden waren und nun aus dem Boden gespült werden. Sie treffen nach Angaben der Mikrobiologin auf die Bakterien in dem teilgeklärten Abwasser. In Mexiko erwarten die Wissenschaftler*innen deshalb, dass das Kläranlagen-Wasser zur Bildung von mehr Antibiotikaresistenzen führt. Sie vermuten, dass die in der Flüssigkeit enthaltenen Keime und Antibiotika-Arzneimittel beziehungsweise Arzneimittelrückstände die Erreger im Boden reaktivieren und diese miteinander Gene austauschen.

Um mehr über die Entstehung von antibiotikaresistenten Keimen auf dem Rieselfeld in Mexiko zu erfahren, hat die DFG-Forschungsgruppe drei Experimente geplant. Im Labor will das Forschungsteam Bodenproben aus dem Valle del Mezquital mit Abwasser und teilgereinigtem Wasser bewässern. Dasselbe ist geplant in einem Gewächshaus, in dem zuvor Koriander auf Erde aus Valle del Mezquital angepflanzt werden soll. Zuletzt findet ein Feldversuch in dem Landstrich statt. Die Forscher*innen haben dafür zwei Areale ausgesucht. Das eine wurde jahrzehntelang mit Abwasser bewässert, das andere nur mit Regenwasser. Beide Felder sollen mit Koriander bepflanzt sowie mit Abwasser und teilgereinigtem Wasser bewässert werden. In allen drei Experimenten wollen die Wissenschaftler*innen im Anschluss Bodenproben und Pflanzen auf Mikroorganismen und Antibiotikaresistenzen untersuchen.


Forschungsprojekt – Informationen und Kontakt

  • Die DFG fördert die Forschungsgruppe „Interaktionen von Schadstoffen, Antibiotikaresistenz und Pathogenen in einem sich ändernden Abwasserbewässerungssystem“ (FOR 5095) mit 2,5 Millionen Euro. Das vierjährige Forschungsprojekt läuft bis Juni 2026. Beteiligt sind unter Koordination der Universität Gießen Wissenschaftler*innen der Universität Bonn, des Universitätsklinikums Bonn, der Universität Tübingen, des Julius-Kühn-Instituts und der BHT. Mehr Informationen sind auf der DFG-Website (dort eingeben: FOR 5095) zu finden.
  • Prof. Dr. Elisabeth Grohmann, Fachbereich V, ist Expertin für Mikrobiologie. Sie lehrt und forscht seit 2015 an der BHT.

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