Mission Weltraumbakterien

Von der Berliner Hochschule für Technik ins Weltall und wieder zurück: Forscher*innen um Mikrobiologin Prof. Dr. Grohmann haben auf der ISS eine neue Oberflächen-Beschichtung getestet mit dem Ziel, Weltraumbakterien zu reduzieren. Doch auch auf der Erde wird geforscht.

Ein Patent für eine neue antimikrobielle Beschichtung aus Silber und Ruthenium, AGXX®, meldete der Metallurge und Geschäftsführer der Firma Largentec GmbH Berlin, Prof. Dr. Uwe Landau, im Jahr 2008 an. Auf Anfrage der Firma Largentec setzte Prof. Dr. Elisabeth Grohmann, Professorin für Mikrobiologie am Fachbereich V der Berliner Hochschule für Technik (BHT), das neue Material für eine Versuchsreihe ein. Dass Silber nicht nur Werwölfe sondern auch Bakterien abwehren soll, war zwar längst kein Geheimnis mehr, ebenso gab es vorher bereits Beschichtungen, die aus zwei Metallen bestanden. Doch keine Schicht wirkte so antimikrobiell, wie die neue Edelmetallverbindung.

Einsatz im Weltall

Mit dem Kooperationspartner Largentec und dem vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) geförderten Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), begann Prof. Grohmann eine Studie mit AGXX® im Weltraum durchzuführen. Ziel des Projekts war der Einsatz des Materials an Bord der ISS, der „International Space Station“. Verglichen wurden drei verschiedene Beschichtungen: eine konventionelle Silberbeschichtung, eine nicht beschichtete V2A-Stahloberfläche und das neue Material AGXX®.

Die Materialien wurden für sechs, zwölf und 19 Monate an Bord der ISS angebracht – dort, wo die Astronautinnen und Astronauten besonders häufig ein- und ausgehen: an der Toilettentür. Die letzten Proben kamen 2015 von der ISS zurück an die BHT, zu Prof. Grohmann. Gemeinsam mit ihrem Team wertete sie die Ergebnisse aus. Gefunden wurden neben apathogenen Bakterien (nicht krankheitsverursachend) 25 humanpathogene Bakterien, die mit Risikostufe 2 identifiziert wurden, d.h. laut Biostoffverordnung: „Biostoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen könnten“.

Die neue Beschichtung erwies sich als äußerst wirksam gegenüber den herkömmlichen Materialien: Nach sechs Monaten auf der ISS war die AGXX®-Oberfläche bakterienfrei. Nach 19 Monaten fanden sich insgesamt 80 Prozent weniger überlebende Bakterien als auf der Stahloberfläche. Gegenüber der konventionellen Silberbeschichtung machte dies eine antimikrobielle Wirkungssteigerung um 50 Prozent.

Kampf gegen Keime

Und die Bakterien auf der Internationalen Raumstation haben es in sich. Die meisten Krankheitserreger, die von der Oberfläche der Toilettentür isoliert wurden, waren gegen mehr als drei Antibiotika resistent. Damit Bakterien im Weltall und unter Schwerelosigkeit überleben können, müssen sie sich entsprechend wappnen. Prof. Grohmann und Lydia-Yasmin Sobisch, Mitarbeiterin der Studie und Erstautorin der Publikation, erzählen im Interview, was die Weltraumbakterien so hartnäckig macht, und wie der Kampf gegen Keime nun auch auf der Erde geführt wird.

Der Erfolg der Studie war für das gesamte Forscher*innen-Team beeindruckend: Laut Grohmann wurde der Artikel zur Analyse 89 Prozent mehr gelesen, als andere Artikel im Open Access Journal, und auch die (internationale) Presse ließ nicht lange auf sich warten. Allerdings sind Studien im Weltraum in der Mikrobiologie nicht immer ganz unumstritten. Bei großen internationalen Tagungen passierte es Elisabeth Grohmann das eine oder andere Mal, dass sie gefragt wurde, ob wir nicht wichtigere Probleme auf der Erde hätten. Doch die Internationale Raumstation ist nur ein Habitat, parallel liefen alle Studien auch auf der Erde. „Zudem gibt es den molekularen Mechanismus, der untersucht wird, um z. B. herauszufinden, warum die Bakterien abgetötet werden und warum es doch noch einige gibt, die das überleben“.

Nächster Halt: Mars

Der Ausblick ist vielversprechend: Die Studie um Prof. Dr. Grohmann wird nun auch für die Mars Mission angewendet sowie für geplante Mondflüge. Zudem läuft in Moskau, beim Institut für biomedizinische Probleme, IBMP, aktuell eine Studie, die sich mit Isolation beschäftigt und eine Mondmission simuliert. Beim Experiment SIRIUS-19 (Scientific International Research In a Unique Terrestrial Station) lebten sechs Astronautinnen und Astronauten 122 Tage in einem künstlichen Habitat, ohne Schwerelosigkeit, und produzierten in völliger Isolation selber Gemüse, wie z. B. Salat. Prof. Dr. Grohmann und ein neues Team nutzten das Mond-Ex- periment, um die Bakterienkontamination in dem isolierten Raum zu erforschen.

Im Fitnessstudio des Habitats wurde die AGXX®-Beschichtung angebracht, welche inzwischen weiterentwickelt wurde und noch besser funktioniert. Im Juli 2019 verließen die Teilnehmer*innen die Isolationsstation, die Auswertung der mikrobiellen Proben läuft: „Wir erforschen, welche Mikroorganismen überleben können, und welche Eigenschaften sie dazu haben müssen“. Laut NASA sollen 2020 und 2021 weitere SIRIUS-Experimente über längere Zeiträume (acht und 12 Monate) durchgeführt werden. Ziel ist es, Mondflüge sowie längere Aufenthalte für die Crew zukünftig sicherer zu machen.


Forschungsprojekt GOX-AGXX – Information und Kontakt


Stand: 15.05.2020

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