Viren auf der Spur in großen Datensätzen

Wie verändern Robotik, KI und VR die Gesundheitstechnologien und die Lebenswissenschaften? Und welches Potenzial bieten sie für Diagnostik, Gesundheitsversorgung oder Bekämpfung von Krankheiten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des dritten Forschungs- und Transfertags.

Mann steht am Rednerpult auf der Bühne, hinter ihm ist die Projektion einer Präsentation zu sehen
Prof. Dr.-Ing. Joachim Villwock während seiner Eröffnungsrede Bild: BHT

„Wir forschen, um die Welt für die Menschen besser zu machen“, sagte Vizepräsident für Forschung und Transfer Prof. Dr.-Ing. Joachim Villwock in seiner Eröffnungsrede am Forschungs- und Transfertag 2025 der Berliner Hochschule für Technik (BHT). Das gelte für das Thema Gesundheit natürlich ganz besonders. Die Veranstaltung thematisiere im Programm und in der Poster-Ausstellung deshalb, wie mithilfe maschinellen Lernens präzisere Diagnosen gelingen und wie Robotik bei Operationen oder Exoskelette in der Pflege unterstützten können.

Moderatorin Prof. Dr. Yasmin Olteanu, Fachbereich I, führte die Gäste in der gut gefüllten Beuth-Halle souverän durch den Tag.

Maschinelles Lernen und Infektionsforschung

Fachlich eröffnete Dr. Nils Körber die Veranstaltung. Körber ist stellvertretender Leiter des 2021 gegründeten Zentrums für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung (ZKI-PH) am Robert Koch-Institut. Dort werden große unstrukturierte Datenmengen mithilfe von maschinellem Lernen ausgewertet, um neue Erkenntnisse für die öffentliche Gesundheit zu gewinnen – etwa, wie sich invasive Arten wie die Tigermücke infolge des Klimawandel ausbreiten oder wie sich die Übersterblichkeit infolge von Hitzewellen entwickelt.

Aus dem großen Forschungsportfolio des Instituts stellte Körber zwei Beispiele aus dem Feld der Bildanalyse vor. Zum einen erläuterte er die Arbeit mit Bilddaten aus der Elektronenmikroskopie. Mit ihrer sehr hohen Auflösung von weniger als zwei Nanometern erlaube diese, Laborproben von Patient*innen auf unterschiedliche Viren zu untersuchen. Mit diesen Bilddaten trainiere das Institut ein KI-Modell, das darin Viren erkenne und sie voneinander unterscheide.

Im Bereich der Lebendzellmikroskopie wiederum werde künstliche Intelligenz bei Infektionsexperimenten eingesetzt. Sie erkenne, wie viele Zellen zu sehen sind, wo diese sich befinden und ob sie infiziert sind. Das helfe, zu verstehen, wie sich ein Infektionsgeschehen ausbreitet.

„Wir benutzen KI-Methoden und Bildanalyse zur Automatisierung von Laboranwendungen, um sehr schwer zu identifizierende Merkmale zu erkennen und quantitative Aussagen zu machen“, resümierte Körber. „Für die KI-Methoden ist es egal, ob sie 10.000, 100.000 oder 1.000.000 Zellen oder Viren analysieren. Für Menschen ist es jedoch ein hoher manueller Aufwand. Den werden wir reduzieren, vereinfachen und am Ende beschleunigen.“

Die Zelle im Visier

Im Anschluss berichtete Prof. Dr. Simone Reber (Biochemie, Fachbereich V) in ihrem Impulsvortrag von den mechanistischen Ursprüngen zellulärer Geometrie. In ihrer Forschung untersucht sie, wie Zellen in ihrem Inneren organisiert sind und wie ihnen ihre jeweiligen Funktionen zugewiesen werden – etwa als Herz-, Haut- oder Muskelzelle. Im Fokus ihres Vortrags standen zwei Organellen: der Zellkern, der die genetische Information enthält und schützt, und die mitotische Spindel, die für die Aufteilung der Chromosomen bei der Zellteilung zuständig ist.

Um diese Organellen herum gruppierte Reber drei Forschungsfragen. Die erste in der Reihe: Wie steif müssen Mikrotubuli sein – die röhrenförmigen Gebilde aus dem Protein Tubulin, die zu den größten Bestandteilen des Zellskeletts gehören? Die Steifigkeit der Mikrotubuli käme im Kontext der Malariaforschung zum Tragen, da die Zelle des Parasiten eine gewisse Steifigkeit haben müsse, um eine menschliche Zelle infizieren zu können. Die Erkenntnisse könnten die Entwicklung von Medikamenten unterstützen.

Daneben forsche das Team zur Länge der mitotischen Spindel. Um ihr Verhalten während der Mitose zu beobachten, habe das Team seine Mikroskope so trainiert, dass sie Zellteilung erkennen, diese aufnehmen und die Bilddaten automatisiert analysieren können.

„Aus diesen Daten können wir alles auslesen, was uns interessiert, unter anderem, wie lang die Spindel ist“, so Reber. Das sei insofern wichtig, als dass die mitotische Spindel sehr anfällig für Mutationen sei.

Die dritte Frage, die das Team um Reber ebenfalls mit smarten Mikroskopen untersuche: Wie dicht ist der Zellkern? Von der Dichte hänge ab, wie Moleküle sich im Zellkern bewegen und miteinander interagieren. Hierzu gewonnene Erkenntnisse seien zum Beispiel relevant für die Krebsdiagnostik. Auch bei der Bearbeitung dieser Fragen erlaube maschinelles Lernen eine Beschleunigung des Untersuchungsprozesses.

Wissenschaft im Schnelldurchlauf

Im Anschluss brachten die „Science Pitches“ noch mehr Bewegung auf die Bühne. Forschende aus aktuellen Forschungs- und Transferprojekten an der BHT präsentierten im fliegenden Wechsel ihre Ergebnisse. Jede*r hatte dafür nur 120 Sekunden Zeit. Wer mehr wissen wollte, konnte danach beim Get-together mit den Expert*innen ins Gespräch kommen.

Die Forschungsthemen im Überblick:

  • Antibiotic Resistance Gene Abundance and Transfer in Wastewater-Irrigated Soils, Dr. Leila Soufi
  • Autonome Chirurgie: Wie KI-trainierte Roboter bei chirurgischen Eingriffen assistieren können, Prof. Dr.-Ing. Francisco Morales Serrano, Lama Albalkhi, M. Sc.
  • BACAI: A Novel Multi-Modal Approach to Bacterial Resistance Analysis and Classification Using AI-Powered Microscopy, Dr. Amr Mostafa 
  • Bioprozessentwicklung zur Produktion von PHA-Bioplastik in Hochzelldichte Fed-Batch Kultivierungen, Prof. Dr.-Ing. Sebastian Riedel, Johannes Nicklisch, M. Sc.
  • BHT-Forschungsverbund Data Science +X, Prof. Dr.-Ing. Alexander Löser, Dr.-Ing. Margret Becker
  • Evaluating and Teaching Explainable Clinical Reasoning in NLP, Prof. Dr.-Ing. Alexander Löser, Connor Fallon, M. Sc.
  • From Language to Motion: A Library of skills for LLM-controlled robots, Prof. Dr.-Ing. Hannes Höppner, Rafid Abyaad, M. Sc.
  • BHT-Forschungsverbund HARMONIK: Humanoide Robotik und Mensch-Technik-Interaktion, Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan, Dr.-Ing. Margret Becker
  • BHT-Forschungsverbund IMPACT: Interaction, Metabolism, Purification, Analytics, Co-Culture and Target-specific Drug-Design, Prof. Dr. Elisabeth Grohmann, Dr.-Ing. Daria Rybakova
  • Machine Learning in Environmental Sciences, Prof. Dr. Felix Bießmann, Vipin Singh, M. Sc.
  • Retrospektive: Biomechanische Bewegungsstudie im Human.VR.Lab der BHT, Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan
  • Ringe der Macht: Wie sich Antibiotikaresistenzen zwischen Bakterien verbreiten, Prof. Dr. Elisabeth Grohmann, Michelle Bölcke, M. Sc.
  • Spatial Configuration of Dual-Arm Visuo-Haptic Input Station: Improving Interaction and Usability, Prof. Dr.-Ing. Hannes Höppner, Ranjit Santhanaraman, M. Sc.
  • Teleoperationssystem: Kostengünstige Teleoperation von humanoiden Roboterarmen mittels einer RGB-D-Kamera, Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan, Kevin Sommler, B. Eng.
  • Uncertainty in XAI, Prof. Dr. Felix Bießmann, Teodor Chiaburu, M. Sc.
  • VR-System zur KI-gestützten Annotation und Bereinigung von Punktwolken mit Anwendungen in Vermessung, digitalem Bauen und Maschinenbau, Prof. Dr. Kristian Hildebrand, Levente Hernádi, M. Sc.
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