Elsa Neumann

Die BHT hat ihrem Neubau in der Lütticher Strasse den Namen Elsa Neumann (E) verliehen, siehe die Presseerklärung. Das Gebäude beherbert eine Kindertagesstätte des Studierendenwerkes und in den oberen zwei Geschossen Büros für wissenschaftliche Beschäftigte (Promotionsstellen) der BHT.

Elsa Neumann ist eine Vorkämpferin für die akademische Ausbildung von Frauen in Deutschland und deren Tätigkeit in der Forschung. Sie hat sich aktiv für die Förderung anderer Frauen eingesetzt.

 

Lebensweg

Elsa Neumann wurde 1899 als erste Frau im Fach Physik an der Berliner Universität promoviert.

Sie wurde am 23. August 1872 in Berlin als Tochter von Anna und dem Bankier Marcus (Max) Neumann geboren. Sie stammt aus einer jüdischen Familie. Ihre Karriere ist ungewöhnlich verlaufen. 

Die höhere Bildung war Frauen zu dieser Zeit in Deutschland institutionell verwehrt: Sie absolvierte daher zunächst eine Lehrerinnenprüfung, um sich dann durch Privatunterricht Kenntnisse für ein Studium anzueignen. Ab 1894 studierte sie Physik, Mathematik, Chemie und Philosophie neun Semester lang an den Universitäten in Göttingen und Berlin. Da das Studium Frauen in Preußen untersagt war, musste sie dazu von jedem Professor eine Sondererlaubnis erbitten, um an den Vorlesungen teilnehmen zu können. Ab 1895/96 waren Gasthörerinnen zugelassen. Ab 1897 musste das Kuratorium der Hochschule zustimmen.

Forschungstätigkeit

Elsa Neumann promovierte in Berlin.

Die Physik-Professoren Emil Warburg und Max Planck, der auch ihr Gutachter der Dissertation war, gehörten zu ihren einflussreichsten Förderern. 1898 erhielt sie mit spezieller Erlaubnis des Kultusministeriums die Genehmigung zur Promotion, die sie noch im selben Jahr abschloss; die feierliche Promotion fand im Februar 1899 statt. Ihre Arbeit „Über die Polarisationskapazität umkehrbarer Elektroden“ wurde 1899 in der angesehenen Fachzeitschrift Annalen der Physik (Bd. 62) veröffentlicht.

Damit gehörte sie zu denjenigen 22 weiblichen Promovendinnen, die mit Ausnahmegenehmigung eine Promotion ablegen konnten, neun Jahre bevor Frauen in Preußen überhaupt erstmals (ab dem Jahr 1908/1909) regulär studieren durften.

Schon vor Neumanns Promotion beantragten Warburg, der von 1897 bis 1905 den Vorsitz inne hatte, unterstützt von Planck ihre Aufnahme in die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), womit sie die erste Physikerin in der DPG wurde. Warburg stammte selbst ebenfalls aus einer jüdischen Familie und veröffentlichte 1899 ein mathematisches Modell zur Beschreibung der Kapazitäten einer Elektrode unter Wechselstrom: Die experimentellen Daten dazu stammen von Elsa Neumann. Das Modell ist als Warburg-Impedanz bekannt, auch Warburg-Element genannt.

Aufgrund der schlechten Berufsaussichten für promovierte Frauen an akademischen Einrichtungen, arbeitete Elsa Neumann ab 1899 als Privatgelehrte und führte ihre Forschungen, da Frauen an den staatlichen Einrichtungen nicht arbeiten und forschen durften, in dem chemischen Privat-Laboratorium von Arthur Rosenheim (Professur Physikalische Chemie, Universität Berlin) und Richard Joseph Meyer  (ao. Professur Anorganische Chemie) durch, das sich seit 1891 in der Chausseestraße 8 in Berlin (Heute Bezirk Mitte)  befand.

Von 1899 bis 1900 wurde Elsa Neumann Gasthörerin am Cavendish Laboratory in Cambridge. Noch Ende Juni 1902 wurde sie Mitglied der Mannschaft eines Zeppelin Flugschiffes, einer Flugindustrie, die sich damals gerade etablierte, und nahm zusammen mit Ferdinand von Zeppelin und Adolf Miethe (1862–1927) von der TH Charlottenburg nebst anderen Wissenschaftlern an einem Flug teil.

Feministisches Engagement

Elsa Neumann war sich ihrer Ausnahmeposition und ihrer medialen Popularität bewusst und engagierte sich für die Durchsetzung des Frauenstudiums in Preußen.Ihr eigener Ausbildungsweg war privilegiert, sie bereitete sich auf das Studium durch privaten Unterricht vor, finanziert über das vermögendem Elternhaus. Ihr war die Notwendigkeit klar, dass ein Frauenstudium wirtschaftlich unterstützt werden musste. Sie war am 26. April 1900 Gründerin, erste Vorsitzende und später Ehrenmitglied des „Vereins zur Gewährung zinsfreier Darlehen an studierende Frauen“. Der Verein hatte sich am 30. April 1900 beim Amtsgericht I in Charlottenburg eintragen lassen. Im Statut definierte er im Paragraph 3: „Der Zweck des Vereins ist, studierenden Frauen durch Gewährung von zinsfreien Darlehen das Studium zu erleichtern und die Ablegung eines Abschlußexamens zu ermöglichen.“

Elsa Neumann war von April 1900 bis März 1902 die 1. Vorsitzende und wurde im März 1902 „als Ehrenmitglied mit dem Recht an den Vorstandsverhandlungen teilzunehmen“ aufgenommen.

Elsa Neumann starb am 23. Juli 1902 an den Folgen eines Unfalls beim Experimentieren mit Blausäure. In einer Traueranzeige wird Frau Dr. Hildegard Wegscheider (Erste Abiturientin in Preußen) als eine "intime", also enge Freundin erwähnt.

 

Würdigung von Elsa Neumann

Ihre Mutter Anna Neumann stiftete nach dem Tod ihrer Tochter den Elsa-Neumann-Preis, der jeweils am 18. Februar eines Jahres für die beste mathematisch-physikalische Arbeit der Universität Berlin verliehen werden sollte, ausdrücklich unabhängig von Geschlecht oder Religion des Verfassers. Die insgesamt zwölf Träger des von 1906 bis 1918 verliehenen Preises waren allerdings allesamt männlich. 

Das Land Berlin vergibt seit Juli 2010 an besonders qualifizierte Nachwuchskräfte Promotionsstipendien und Sonderzuwendungen als „Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin“.

Es gibt in mehreren Städten, unter anderem in Braunschweig, Emden und Monheim, Straßen, die nach ihr benannt sind.

In Würdigung ihrer Leistungen als Wissenschaftlerin wurde ihr anlässlich der Wissensstadt Berlin 2021 im Rahmen der Ausstellung „Berlin – Hauptstadt der Wissenschaftlerinnen“ eine Ausstellungstafel gewidmet.

 

Literatuhinweise:

Annette Vogt: Elsa Neumann – Berlins erstes Fräulein Doktor. Verlag für Wiss.- und Regionalgeschichte Engel, Berlin 1999, ISBN 3-929134-24-1.

Zur Geschichte des Frauenstudiums und weiblicher Berufskarrieren an der Berliner Universität. Hg. vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung und der Frauenbeauftragten der umboldt-Universität zu Berlin. Berlin 1996.