Natürlich künstlich

Das Labor für Kunststoffverarbeitung und -prüfung vermittelt praktisches Grundlagenwissen. Hier lernen Studierende der Bereiche Maschinenbau, Mechatronik und Verpackungstechnik verschiedene Kunststoffsorten und Prüfmethoden kennen, außerdem geht es ums Pressen, Schmelzen, Gießen, Spritzen und Laminieren.

Text und Interview: Fabian Schweyher

Was sind eigentlich Polymere?

Übungsleiter Prof. Dr. Jan Rösler, Fachbereich VIII, richtet sich an die Gruppe im Labor für Kunststoffverarbeitung und -prüfung: „Wer erklärt unserem Gast aus der Öffentlichkeitsarbeit, was Polymere sind?“ Betretenes Schweigen, bis sich schließlich einer der Studierenden im Bachelor Maschinenbau meldet. Polymere seien chemische Verbindungen, die aus Ketten- oder verzweigten Molekülen bestehen, die sich wiederum aus gleichen Einheiten zusammensetzen.

Polymere spielen auch jenseits des Labors der Berliner Hochschule für Technik (BHT) eine wichtige Rolle. Die auf Erdöl basierenden Verbindungen zählen zu den wesentlichen Materialien für die Verarbeitung.

In der Übung „Konstruieren mit Kunststoffen“ zeigt Professor Dr. Rösler zum Beispiel, wie sich daraus Kunststoffbecher herstellen lassen. Dafür hat er Schachteln ausgelegt, die Polymer-Granulat in jeweils einer Farbe enthalten. Die Studierenden können sich selbst individuelle Polymer-Mischungen zusammenstellen. Anschließend kommt die Mixtur in eine hydraulische Presse.

In einem kreisrunden Hohlraum in der schrankgroßen Maschine wird das Granulat auf 150 Grad Celsius erhitzt, worauf sich ein Metallkeil in Zylinder-Form in die Form presst. Die Hitze lässt die Polymere flüssig werden, der Druck quetscht sie zwischen die obere und untere Werkzeughälfte. 140 Sekunden später ist der Kunststoffbecher fertig.

Das Labor, zugehörig zum Fachbereich VIII, soll praktisches Grundlagenwissen rund um die Kunststoffverarbeitung vermitteln. Es richtet sich an Studierende der Studiengänge Maschinenbau (Bachelor), Maschinenbau – Konstruktionstechnik (Master), Mechatronik (Bachelor), Verpackungstechnik, Umwelt und Design (Bachelor) und Wirtschaftsingenieur/Maschinenbau (Master).

Grundlagenwissen mit Praxisbezug

Das Laborteam, bestehend aus Leiter Prof. Dr. Jörg Hornig-Klamroth, Prof. Dr. Jan Rösler und Laboringenieurin Jihen Selmane-Dallali, unterrichtet neben der hydraulischen Presse beispielsweise auch das Spritzgießen. Dabei werden Kunststoffe erhitzt, geschmolzen und dann für die gewünschte Form in eine Gussform gespritzt.

Das Laminieren von Fasermaterialien mit Reaktionsharzen ist ein weiteres grundlegendes Verfahren, das genauso wie Kunststoffsorten und Prüfmethoden auf dem Lehrplan steht.

Für den Laborleiter steht der Praxisbezug im Vordergrund. „Die Arbeit mit den eigenen Händen gehört zum ingenieurstechnischen Wissen dazu“, sagt Hornig-Klamroth. In den Übungen zeige sich beispielsweise, dass die am Computer erstellten Entwürfe in der Realität oftmals anders aussehen als erwartet.

Im Labor könnten die Studierenden ausprobieren, welche Ergebnisse praktisch zu erwarten sind und wie sie sich verbessern lassen. Und nicht nur das. „Es ist wichtig, selbst zu erfahren, wie kompliziert ein vermeintlich einfacher Versuch sein kann.“

Neben der Wissensvermittlung spiele der Arbeitsschutz, den die Studierenden einzuhalten lernen, eine wichtige Rolle, sagt Hornig-Klamroth, schließlich kämen Gefahrenstoffe zum Einsatz.

Vielzahl an Maschinen und Geräten

Das Labor für Kunststoffverarbeitung und -prüfung verfügt über eine Vielzahl an Maschinen und Geräten. So gibt es neben hydraulischen Pressen und 3D-Druckern etwa Thermoformanlagen, mit denen sich Kunststoffe mithilfe von Wärme und Vakuum umformen lassen. Extruder dienen dazu, zum Beispiel Profile großer Länge herzustellen, indem verformbare Kunststoffe unter Druck aus einer formgebenden Öffnung herausgepresst werden.

In dem Raum stehen auch Spritzgussmaschinen, darunter die Lieblingsmaschine des Laborleiters: ein handbetriebenes Gerät aus dem Jahr 1927. Die modernste Spritzgussmaschine ist acht Jahre alt, inklusive Touchdisplay und etlichen Einstellmöglichkeiten.

Im Labor lassen sich außerdem hergestellte Teile prüfen, etwa auf Zug- und Bruchfestigkeit. „Kunststoff ist ein spannendes Material mit grandiosen Eigenschaften und vielen Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Professor Hornig-Klamroth. Das Material sei hart, biegsam oder elastisch – je nach Kunststoffsorte, dazu wärmedämmend, beständig sowie kostengünstig.

Nachhaltigkeit: natürlich ein Thema!

Der Laborleiter ist sich bewusst, dass Kunststoffe ein Umweltproblem darstellen. Sie zersetzen sich schließlich schnell in Mikropartikel und verrotten nur sehr langsam. „Kunststoffe sollten sinnvoll eingesetzt werden, wobei die Vermeidung im Vordergrund steht“, sagt er. Das Thema Nachhaltigkeit werde in den Lehrveranstaltungen behandelt, etwa in Form von Biokunststoffen oder auch Recycling. Im Labor lernen die Studierende dann beispielsweise, Plastikabfälle zu zerhäckseln, einzuschmelzen und wiederzuverwenden.

Die Laborübungen zielen darauf ab, dass die Studierenden umsetzen, was sie in den Vorlesungen gelernt haben. „Einen Prozess in der Tiefe zu verstehen, ist nur in der praktischen Anwendung möglich“, sagt Prof. Dr. Jan Rösler, der die Vorlesung und die Übung „Konstruieren mit Kunststoffen“ hält. Ihm ist wichtig, dass die Studierenden lernen, Herstellungsprozesse optimal zu gestalten. Kunststoffprodukte sollen ohne Materialverschwendung, kostengünstig sowie in hoher Qualität und kurzer Produktionszeit hergestellt werden.

Diese Aufgabe steht auch im Fokus einer Semester-Hausaufgabe, die er den Maschinenbau-Studierenden aufgegeben hat: die Konstruktion eines Getränkekastens. Dazu müssen zunächst Markt und Wettbewerbsprodukte analysiert werden. Ebenso sind die Anforderungen des Kunden, der Fertigung und der Qualitätssicherung zu beachten. Schwachstellen müssen mittels Belastungsanalyse optimiert werden. Anhand mehrerer Spritzgusssimulationen wird dann die Herstellbarkeit gewährleistet. „Die Hausaufgabe hört sich einfach an, ist aber eine Herausforderung“, sagt Rösler.

Laborausstattung

Das Labor für Kunststoffverarbeitung und -prüfung vermittelt die Grundlagen der Verarbeitungsverfahren.

Zur Ausstattung gehören Spritzgieß- und Kolbenspritzgießmaschinen, Einschneckenextruder, Presse und Thermoformanlage.

An Arbeitsplätzen lassen sich Laminate verarbeiten und das Aushärteverhalten von Reaktionsharzen untersuchen. Das Labor bietet ebenso UV-Belichtungstester, Trockenschränke, Horizontalschneidmühle, Trockenmischer und 3D-Drucker.

Für die Prüfung von Erzeugnissen verfügt das Labor über Universalprüfmaschinen zur Zug-, Druck- und Biegeprüfung sowie eine Hydropulsanlage für Betriebsfestigkeitsversuche und zur Härteprüfung.

Mit einem Pendelschlagwerk lässt sich die Robustheit eines Materials unter Schlagbelastung messen, und mit einem Extrusionsplastometer können Studierende das Fließverhalten von thermoplastischen Kunststoffen bestimmen.

Vier Fragen an: Prof. Dr. Jan Rösler

Was sind Ihre Aufgaben?

Im Labor leite ich die Übungen „Konstruieren mit Kunststoffen“, „Recycling/Kreislaufwirtschaft“ und „recyclinggerechte Konstruktion“. Die Studierenden sollen das theoretische Wissen praktisch anwenden und dadurch vertieft verstehen. Im Labor lernen sie, selbstständig zu arbeiten.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Studierenden?

Sehr angenehm. Meine Übungen gehören zu den Wahlpflichtfächern. Die Studierenden kommen motiviert in das Labor. Sie bereiten sich gut vor, kennen die Theorie und wissen, was sie machen. Sie stellen Fragen, bei denen ich merke, dass sie sich für die Themen interessieren.

Was sind die Herausforderungen im Labor?

Unsere Prüfmaschinen sind sehr alt und das zeigt sich in Vergleichsversuchen. Wir benötigen mehr neue Maschinen, um wirklich sagen zu können, dass die Messwerte stimmen. Wir ersetzen sie nach und nach mit neuen Geräten. An sich ist das Alter kein Problem. In der Lehre ist es manchmal sogar besser, weil die Studierenden bei den Altgeräten mehr beobachten können. Neue Geräte sind komplex und wir müssen uns selbst in der Bedienung schulen.

Was schätzen Sie an der BHT?

Vor meiner Berufung an die BHT war ich 25 Jahre als Ingenieur in der Wirtschaft tätig. An der Hochschule habe ich mehr Freiheiten. In Unternehmen wird einem viel reingeredet. Die Freiheit hat auch Nachteile. Ich muss viel mehr selbst organisieren, zum Beispiel dass die Maschinen im Labor funktionieren. Mir gefällt die Vielfalt der Aufgaben


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