Krankheitserreger, Schwermetalle, Chemikalien: Für manche Urlaubsländer gibt es Warnungen, auf keinen Fall Wasser aus der Leitung zu trinken. In Deutschland ist es hingegen normal, Wasser am Hahn zu zapfen. Sind wir naiv?
Die deutsche Trinkwasserqualität ist auf einem sehr hohen Niveau – von der Gewinnung im Wasserwerk über die Speicherung und Aufbereitung bis hin zur Übergabe am Hausanschluss. Die gesetzliche Grundlage dafür beruht auf der Trinkwasserverordnung, die sich wiederum an einer Richtlinie der Europäischen Union orientiert. Am Hausanschluss erhalten wir einwandfreies Trinkwasser.
Die meisten Risiken entstehen auf dem Weg vom Hausanschluss bis zur Entnahmestelle, also dort, wo wir Wasser verwenden. Mögliche Ursachen sind verbaute Materialien, Baumängel und auch das individuelle Nutzungsverhalten. Installationsschächte und Heizungsräume übertragen zum Beispiel Wärme auf das kalte Trinkwasser. Sprich: Alles, was das Trinkwasser in einem Gebäude verändert, stellt ein Risiko dar. Um dies zu verhindern, existieren Normen, Regelwerke und Richtlinien. Sie sind jedoch vielfältig und voluminös. Leider sind sie nicht allen Beteiligten, die ein Gebäude errichten, bekannt. Dies führt oft zu Mängeln, weshalb Endverbraucher von Trinkwasser auf die Qualität achten sollten.
Woran lassen sich Mängel erkennen?
Wenn das Trinkwasser faulig riecht oder metallisch schmeckt, ist dies ein Alarmzeichen für vermeidbare biologische oder chemische Beeinträchtigungen im Rohrnetz. Mögliche Auslöser sind fehlende oder fehlerhafte Wartungsarbeiten sowie nicht zertifizierte Entnahmearmaturen aus dem Baumarkt oder von Designern. Ein weiterer Mangel zeigt sich, wenn das Trinkwasser verfärbt ist. Meistens sind metallische Emissionen der Grund – gelblich-braune Farbe beispielweise entsteht durch Rost in schmelztauchverzinkten Stahlrohen, die in einer zeitgemäßen Trinkwasser-Installation nicht mehr verwendet werden.
Grundsätzlich sollte man aufmerksam werden, wenn kühles Trinkwasser beim Zapfen nicht kälter wird oder dauerhaft abgestanden schmeckt. Oftmals hilft es, einer Empfehlung des Umweltbundesamtes zu folgen: morgens den Wasserhahn aufdrehen und das Wasser eine Weile laufen lassen. Sobald das Wasser kühl, frisch, klar und geruchlos aus der Leitung kommt, ist das abgestandene Wasser aus der Installation im Gebäude ausgespült und man kann es sorgenfrei nutzen.
Als Trinkwasserhygieneexperte sage ich: Wasser regelmäßig und nachhaltig zu gebrauchen, ist das oberste Gebot. Wenn kein regelmäßiger Wasseraustausch stattfindet, beginnen die Probleme in der Gebäudeinstallation.
Wie sollte man bei dauerhaften Veränderungen vorgehen?
Unbedingt handeln! Zu sagen „Ich gewöhne mich an den Zustand“ ist keine Option. Trinkwasser muss überall im Gebäude – in der Küche, im Bad, im Gäste-WC oder im Keller – genusstauglich und rein zur Verfügung stehen. Andernfalls gilt Alarmstufe Rot. Das heißt: Sofort die Hausverwaltung oder den Eigentümer informieren. Die Wasserinstallation muss im Rahmen einer Gefährdungsanalyse überprüft werden. Übrigens: Auch Beschäftige und Betriebsangehörige haben laut Arbeitsstättenrichtlinie Anspruch auf einwandfreies Trinkwasser an allen Stellen des Gebäudes.
Zur Person
Jens-Uwe Nieß ist Ingenieur im Labor für Sanitärtechnik am Fachbereich IV. Auf einer Fläche von rund 1.000 Quadratmetern stehen dort Übungs- und Demonstrationsstände sowie eine zehn Meter lange Messstrecke zur Verfügung. Das Labor wird von Studierenden der Studiengänge „Gebäude- und Energietechnik“ (Bachelor) sowie „Gebäudetechnik und Energiemanagement“ (Master) genutzt. Auch Studierende der benachbarten Studiengänge Architektur, Facility Management und Planung Nachhaltiger Gebäude haben die Möglichkeit, die Sanitärtechnik kennenzulernen. Gemeinsam mit Labortechniker Uwe Schröter ist Jens-Uwe Nieß dafür verantwortlich, den Studierenden innovative und zeitgemäße Anlagen bereitzustellen.
Jens-Uwe Nieß kennt das Labor seit vielen Jahren: Er selbst arbeitete dort an seiner Diplomarbeit im ehemaligen Studiengang Energie- und Versorgungstechnik an der Technischen Fachhochschule Berlin (heute: BHT), die er im Jahr 2002 abschloss. Seit 2005 ist er Inhaber eines Sachverständigenbüros für Gebäudetechnik. Im Jahr 2015 kam er zur BHT. Seit Anfang des Jahres fungiert Jens-Uwe Nieß ist außerdem als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene bei der IHK Berlin.